Bern-Netzwerk Interview

Im aktuellen Netzwerk Interview sprechen wir mit Manuela Angst und Martin Nydegger über Vernetzung im Tourismus und wie diese bei unterschiedlichen Organisationen verschieden eingesetzt wird.

Eine These zum Start: Die ganze Entwicklung von Bern Welcome und unsere Kampagnen generieren weitum grosse Aufmerksamkeit – deshalb hat sich Schweiz Tourismus entschieden, ihr Management Meeting in diesem Jahr in Bern abzuhalten. Martin, stimmt das?

Martin: Ja, sicher auch! Es gibt aber mehrere Gründe: Wir haben viele potenzielle Austragungsorte angefragt, wer uns gerne hosten möchte – Bern Welcome hat uns das beste Dossier geliefert und so das Rennen gemacht. Dies der rationale Grund. Dazu kommt, dass ich halt immer ein bisschen Berner bleibe. Schliesslich haben wir in letzter Zeit einen starken Städtefokus. Wir versuchen immer eine Balance zu finden zwischen der alpinen, der ländlichen und der urbanen Schweiz. Die Städte waren zwar immer wichtig, finden momentan aber durch die Pandemie eine besondere Beachtung. Das spürt man auch bei unseren Kampagnen.

Manuela: Wir haben ja auch stark eingebüsst, obwohl wir mit der naturnahen Stadt und den umliegenden Teilregionen als Destination Bern eigentlich sehr gut aufgestellt sind. Trotzdem waren wir zwischenzeitlich etwas ins Stocken geraten.

Martin: Man spürt aber, dass es wieder kommt. Es ist so, dass Städte – ich nehme an, Bern ist da nicht anders – auch mit dem Einsetzen von grenzüberschreitendem Tourismus wieder florieren. Insbesondere im organisierten Geschäftstourismus, den man beeinflussen kann, sehe ich eine grosse Hebelwirkung.

Vernetzung ist das A und O. Unsere Präsenz in den Märkten ist unsere «Raison d’Être».

Martin Nydegger

Manuela: In Bern machen Businessgäste etwas mehr als zwei Drittel, ca. 70 Prozent, der Logiernächte aus. Davon wiederum können wir rund 40 Prozent aktiv beeinflussen. Dank dem Schulterschluss und der guten Vernetzung mit den Akteur:innen in der Destination, sowie den direkten Sales erhalten wir Dossiers mit internationaler, gar weltweiter Strahlkraft. So zum Beispiel die EuroGames und die Sportkletter-WM, welche beide im Sommer 2023 in Bern stattfinden.

Im Zusammenhang mit der neuen Strategie von Bern Welcome ist auch das neue Modell des Bern-Netzwerks entstanden. Wie schätzt ihr die Bedeutung von Vernetzung und gemeinsamer Angebotsgestaltung ein?

Martin: Vernetzung ist das A und O. Wir pflegen zu sagen, dass wir eigentlich vielmehr Organismus als Organisation sind. Wir selbst haben, wie ihr, keine eigenen Produkte und sind daher grundsätzlich auf Kooperationen angewiesen. Wir bieten eine Plattform – draussen in den Märkten und am Hauptsitz. Unsere Präsenz in den Märkten ist unsere «Raison d’Être», aber die Vernetzung wie ihr es nennt, unsere Kooperationen sind gleichbedeutend. Sonst wären wir mit leeren Händen draussen in den Märkten und auf unseren Plattformen.

Den Ansatz finde ich sehr smart – es erlaubt eine Inanspruchnahme der Rolle als Mischler und Impulsgeber.

Martin Nydegger

Bei euch handelt es sich also primär um die Vernetzung von Schweiz Tourismus mit Akteur:innen. Bei uns spielt hingegen auch die Vernetzung unter den verschiedenen Akteur:innen entlang der touristischen Dienstleistungskette eine grosse Rolle. Wie sieht das bei euch aus?

Martin: Unsere Vernetzungsaufgabe liegt primär beim Vernetzen von touristischen Anbieter:innen wie Hotels, Bergbahnen oder DMOs mit internationalen Reiseveranstaltern, Medien und Influencer:innen – eine Vernetzung zwischen Anbieter:innen und Einkäufer:innen. Kommt es zu einer Vernetzung unter den Schweizer Anbieter:innen ist das super, aber es ist nicht unsere Hauptaufgabe. Einige unserer Anlässe, wie zum Beispiel der Ferientag, vereinfachen zwar den Zugang, aber wir orchestrieren das Ganze nicht unbedingt bewusst.

Manuela: Das Management von Vernetzung und gemeinsamer Angebotsgestaltung ist grundsätzlich sehr aufwändig. Es benötigt viel Vorbereitung, Betreuung und Nachbearbeitung – ist aber umso schöner, wenn wir es schaffen, eine DMO zu sein, die es hinkriegt, die verschiedenen Akteur:innen aus Tourismus, Wirtschaft und Gewerbe an einen Tisch zu bringen, um gemeinsam an der Weiterentwicklung der Destination und ihrer Angebote zu arbeiten. Wie wir das zum Beispiel bei den Velosportveranstaltungen gesehen haben – anstelle von drei verschiedenen Veranstaltungen an drei unterschiedlichen Wochenenden, konnten wir mit den Organisatoren zusammensitzen und sie zu einem grossen, wirksameren Event an einem Wochenende bündeln. Über die Vernetzung bei Events, wie bei diesem Beispiel, begünstigen wir bevölkerungsverträgliche Angebote, welche wiederum den qualitativen Aufenthaltstourismus ermöglichen. So schaffen wir es zudem wegzukommen von einem rein promotionsgetriebenen Unternehmen hin zu einem, das gemeinsame Angebote und Produkte in den Vordergrund stellt und so einen ganzheitlichen Marketingansatz verfolgt.

Martin: Wir sind da im Vergleich etwas eingeschränkt, im Sinne davon, dass wir wirklich nur reine Tourismusförderung machen dürfen. Sportförderung zum Beispiel, wie du das vorhin als Beispiel genannt hast, machen wir gar nicht. Eigentlich ist dies aber auch eine Art Luxussituation für uns, denn je breiter man in seiner Tätigkeit wird, desto höher die Komplexität, Ansprüche und Begehrlichkeiten. Deshalb hilft es sicher, sich auf das rein touristische Angebot zu konzentrieren und zu allem anderen kategorisch Nein zu sagen.

Manuela: Unser Ziel, gemeinsam mit Akteur:innen touristisch attraktive Angebote zu gestalten hat viel zu tun mit dem, was hier vor Ort alles gemacht wird und stattfindet – das geht von Events über Kultur allgemein bis hin zu Gastronomie und weiter. Über die Gestaltung dieser Angebote und Produkte, dessen Kommunikation und Verkauf schaffen wir gemeinsam qualitative Wertschöpfung in und für die gesamte Destination Bern.

Zum Schluss nochmals eine These: Das Bern-Netzwerk Modell wie Bern Welcome es macht, birgt Vorbild-Potenzial für andere Destinationen. Wie schätzt ihr das ein?

Martin: Ja, das gibt es bestimmt. Den Ansatz finde ich sehr smart – es erlaubt eine Inanspruchnahme der Rolle als Mischler und Impulsgeber, im Sinne von wenn ihr diese Plattform nicht schaffen würdet, gäbe es diese Kooperationen nicht. Ich bin nicht überall im Bild was aktuell gemacht wird, weiss aber, dass zum Beispiel Luzern mit dem Tourismus Forum Luzern ein ähnliches Modell eingeführt hat. Hier kommt es bestimmt auch zu einer Art Vernetzung – wie fest und bewusst orchestriert das in dem Fall ist, weiss ich aber nicht. Ansonsten glaube ich eher, dass viele Tourismusorganisationen sich nach wie vor stark auf Tourismusförderung im Sinne von Promotion fokussieren.

Manuela: Ist es denn nicht auch ein Städtethema? Bei einer Bergdestination steht der Tourismus eher mal noch klarer im Fokus als jetzt hier in Bern, kann ich mir vorstellen. Es sind nämlich schon viele verschiedene Bedürfnisse, die aufeinandertreffen, gerade auch weil wir hier in der Destination Bern die Bevölkerung und Stadt immer mit einbeziehen. Ich bin sehr überzeugt davon, dass wir mit der Strategie und dem Bern-Netzwerk Modell einem nachhaltigen, differenzierenden und somit wertschöpfungssteigernden Tourismus gerecht werden.

Vielen Dank Martin und Manuela für die Einblicke. Wir freuen uns sehr darauf, die Entwicklung der Zusammenarbeit mit Schweiz Tourismus weiter begleiten zu dürfen.

Weitere Einblicke und Beispiele der gemeinsamen Angebotsgestaltung

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