Länggasse: Vom Industrie- zum Studentenquartier

30. Januar 2017

Bern besteht aus mehr als der UNESCO-Weltkulturerbe gekrönten Altstadt, dem Zytglogge (Zeitglockenturm) oder dem Bundeshaus. Es lohnt sich, einen Abstecher abseits der bekannten Touristenpfade zu unternehmen, um das Quartierleben zu entdecken. Einen Besuch wert ist beispielsweise das Universitätsviertel Länggasse.

Die Länggasse blickt auf eine spannende und abwechslungsreiche Entwicklung zurück. Das Quartier nördlich der Stadt direkt hinter dem Hauptbahnhof gelegen hat seine Anfänge im 18. Jahrhundert. Damals war das Gebiet noch landwirtschaftlich genutzt und erst vereinzelt besiedelt. Doch schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts änderte sich dies mit der Ansiedlung mehrerer Fabriken.

Eine Maschinenfabrik, Baugeschäfte, eine Seidenfabrik, die Schokoladenfabrik Tobler (Hersteller der weltberühmten Toblerone) und eine Druckerei prägten mit ihren rauchenden Kaminen das aufstrebende Länggassquartier, welches sich zunehmend zum Industriequartier wandelte. In den folgenden 50 Jahren verlegten mehrere Dienstleistungsunternehmen und weitere öffentliche Bauten ihren Sitz in die Länggasse.

Mit dem Bau des Hauptgebäudes der Universität Bern erhielt das Quartier ein weiteres bedeutendes Merkmal. Im 20. Jahrhundert verdichtete sich die Siedlungsstruktur und neue Wohnbauten hielten Einzug. In den letzten 50 Jahren verschob sich die Bedeutung der Länggasse durch die Umnützung alter Industriebauten zu Hochschul- und Universitätsgebäuden vollständig vom Industrie- zum lebhaften Studentenviertel. Heutzutage duftet es in den Strassen nicht mehr nach Schokolade; einzig der Name der Unitobler erinnert an den ursprünglichen Zweck des Gebäudes.

Von feinen Tees über frische Bagels zu süssen Träumen

Einst gab es über 80 Lebensmittelläden in der Länggasse und noch immer mangelt es nicht an kleinen, aber feinen Cafés und speziellen Geschäften. So ist in der Länggasse der Länggass-Tee daheim; ein Familienbetrieb, den vor gut 30 Jahren die Eltern gestartet haben und bei dem mittlerweile alle vier Söhne mitbeteiligt sind. Im Länggass-Tee erhält man eine grosse Auswahl an Teesorten, klassische Raritäten aus Asien, Teegeschirr sowie Schulungen und Degustationen.

Die Mittelstrasse, die von der Länggasse abzweigt, ist eine lebhafte Begegnungszone von Studenten und Familien. Mittendrin befindet sich das Bagelskaffee Tingel Kringel mit frischen Bagels und feinen Süssigkeiten. Besucht man schräg gegenüber die stadtbekannte Gelateria di Berna, wechselt man nicht nur die Strassenseite, sondern auch ins italienische Paradies.

Die Gelateria di Berna ist so beliebt, dass sogar langes Anstehen in Kauf genommen wird. Ein Stück weiter liegt das Café Apfelgold, der Himmel aller Kuchen- und Dessertliebhaber. Auf dem bequemen Sofa sitzend mit der grossen Bücherwand im Rücken fühlt man sich nicht nur in Grossmutters Wohnzimmer, sondern es ist auch, als nasche man wie früher von ihren Leckereien.

Von internationaler Küche zu internationalen Partys

In der Länggasse existieren Restaurants aller Couleur nebeneinander. Man steht vor der Wahl zwischen traditioneller über griechischer bis zu afrikanischer oder asiatischer Küche. Nicht wegzudenken aus der Länggasse ist eine der beliebtesten Quartierbeizen überhaupt: Das Restaurant Beaulieu aus dem Jahre 1895. Die schweren Stammtische und der beschauliche Kastaniengarten üben noch heute ihren Charme aus und die gutbürgerlichen und saisonalen Menus munden hervorragend.

Abends lässt es sich im ehrwürdigen Konzertlokal Bierhübeli bei regelmässig stattfindenden Konzerten und Partys am besten feiern. Wem es danach noch zu früh für den Nachhauseweg ist, hat unweit vom Bierhübeli entfernt im ISC Club die Möglichkeit, bis in die frühen Morgenstunden zu tanzen.

In-Quartier

Die Länggasse gehört heutzutage zu einem der beliebtesten Berner Wohnquartiere und zählt zum In-Quartier unter den Studenten. Friedlich nebeneinander leben dort aber nicht nur Studenten, sondern auch Familien und Junggebliebene, die das lebendige Quartier mitprägen. Diese friedliche Stimmung in den Strassen lädt dazu ein, innezuhalten und den wahren Charakter der Stadt Bern zu geniessen, während das eine oder andere Gebäude noch an vergangene Industriezeiten des Quartiers erinnern.